Vom 18. bis 21. Januar ist es wieder so weit und die Fashion Week in Berlin mit den wichtigen Modemessen findet statt. Der richtige Zeitpunkt für ein Interview mit der Frau, die dieses ganze Modespektakel überhaupt erst nach Berlin geholt hat.

Auf dieses Interview habe ich mich schon ganz besonders gefreut. Nicht nur, weil Anita Tillman die Art Frau ist, die gleichzeitig unheimlich erfolgreich ist, dabei toll aussieht, eine glückliche Ehe führt, zwei süße Kinder hat und dabei auch noch total sympathisch und herzlich ist – sondern auch, weil Anita und ich uns bereits vor 13 Jahren kennengelernt haben. Sie hatte damals gerade die Modemesse Premium gegründet und erzählte mir enthusiastisch davon. Bei ihren Erzählungen leuchteten Anitas Augen vor Begeisterung. Ich war TV Redakteurin für SAT1 und drehte eigentlich eine Geschichte mit ihrer Schwester.

Was aus Anitas neuem Projekt von damals geworden ist, haben wir ja alle mit großer Freude mitverfolgen können. Zur Premium Messe (inzwischen die größte Modemesse Europas) kamen im Laufe der Zeit die SEEK, die Bright und im vergangenen Jahr die #FASHIONTECH, eine Konferenz zum Thema Fashion und Technik. (Finden Außerdem gründete Anita den Young Designers Award und ist Mitbegründerin des German Fashion Council. Die gebürtige Düsseldorferin und ihr Team arbeiten ständig an innovativen und neuen Konzepten.
Bei allem was die Unternehmerin tut, hat sie noch immer diese Begeisterung in ihren Augen, wenn sie darüber spricht. Ihr Beruf ist kein Job, es ist Anitas Tillmanns Berufung.

Wir treffen uns zum Interview im Soho House, denn nach unserem Interview hat Anita noch zu einem Dinner unter Freunden geladen – zu Ehren des großartigen Designers Roland Mouret. Anita trägt eines seiner umwerfend schönen Kleider.

Liebe Anita, wie schön, dass wir zum Interview zusammen sitzen. Es ist ja so einiges passiert in den vergangenen 13 Jahren. Was hat Dich am meisten geprägt?
Schwierige Frage. Beruflich prägt einen jeden Tag Irgendetwas. Aber der größte Impact kommt durch die Geburt der Kinder und die Heirat. Und dadurch Mutter und Ehefrau zu sein.

Die Modebranche ist ja heute eine andere als damals 2003. Wie hat sie sich verändert?
Es hat sich wahnsinnig viel verändert. Die „bösen Vertikalen“ wie Zara und H&M haben ein wahnsinniges Gewicht bekommen. Das hätte damals 2003 sicher niemand gedacht. Ich erinnere mich an einen Aussteller, der mich schon ziemlich beschimpft hat, weil ich ein Zara Kleid trug. Die Mädels aus dem Büro hatten es mir geschenkt, wunderschön, damals schon. Der Aussteller fragte mich, wie ich eine Premium-Messe veranstalten und gleichzeitig ein Zara Kleid tragen könne. Meine Antwort war damals schon: Ihr werdet sehen, das wird Alles ändern und wir werden das sehr ernst nehmen müssen in der Zukunft. Weil ich damals schon zu Zara connected war und ein paar Designer kannte, konnte man es zumindest schon vermuten. Dass es so krass sein würde, habe ich aber selber nicht gedacht.
Insofern hat es sich der Einfluss der Vertikalen verändert. Ausserdem die ganze Thematik der Digitalisierung, Fashiontech, Wearable Design usw. Das gab es damals fast noch gar nicht.

Die Digitalisierung der Mode ist ja ein Thema, das Dir sehr am Herzen liegt. Du hast im vergangenen Jahr die Konferenz #Fashiontech gegründet, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigt. Woher rührt Deine Begeisterung für das Thema?
Bevor ich die Premium gegründet habe, war ich 2 Jahre bei Pixelpark angestellt. Das war damals DIE New Economy Agentur überhaupt. Ich war natürlich frohen Mutes und mit tausenden Konzepten bestückt im Geiste, was TV on Demand betrifft und wie wir alle Laptops und Hände benutzen, also schon ganz ohne Handys. So weit ist es noch nicht, aber ich denke es ist kurz davor. Ich hatte schon immer eine Schwäche für dieses Thema und freue mich natürlich, dass ich das Thema in der Modebranche initiieren und begleiten kann.
Wir haben die Konferenz #FASHIONTECH aufgesetzt, auf der wir genau diese Themen behandeln und eine Brücke zwischen der Techwelt und der Modebranche schlagen.

Warum ist Dir das Thema so wichtig?
Jeder spricht davon und jeder möchte etwas machen, aber niemand weiß: Was sind die richtigen Produkte? Wer sind die richtigen Partner in der jeweiligen Industrie? Was sind die relevanten Kennzahlen? Was brauche ich eigentlich? Das Konzept der Premium, der SEEK und auch der Bright ist das Thema Kuratieren. Auch bei der #FASHIONTECH kuratieren wir die aus unserer Sicht relevanten Firmen, Speaker und Produkte und bringen die richtigen Leute zusammen. Das ist das Core-Buisiness. Das ist das was wir am Besten können: Plattformen schaffen, ein Portfolio kuratieren, die richtigen Leute zusammenbringen. Das funktioniert nicht nur mit Produkten und Kollektionen, sondern auch mit Informationen.

Dabei ist Dir die Nachwuchsförderung auch sehr wichtig.
Ja, wir haben seid Beginn der Premium den Young Designers Award ins Leben gerufen und verleihen diesen Saisonal in drei klassischen Kategorien: Damen, Herren und Accessoires, plus einer Trendkategorie „Season’s Special, das diese Saison das Segment Activewear ist. Ich freu mich, dass unser Award mittlerweile ein Gütesiegel für die Jungdesigner ist.
Jetzt nach 13 Jahren Modetätigkeit in Berlin haben wir den German Fashion Council gegründet, bei dem es auch um Nachwuchsförderung geht, aber vor allem darum, die Wahrnehmung für deutsches Design und deutsche Talente zu fördern und international Relevanz zu verschaffen. Ich denke, das ist der richtige Weg und ergänzt die Nachwuchsförderprogramme, die es schon gibt.

Warum hälst Du die Nachwuchsförderung in der Mode für elementar?
Ich erklär das normalerweise immer mit dem Fußball. Wobei, mit den ganzen Katastrophen rund um die FIFA weiß ich nicht, ob das noch so richtig ist. (schmunzelt) Grundsätzlich glaube ich, dass junge Talente gefördert werden müssen, um eine neue Generation an Designern vorzustellen. Wichtig ist, die Learnings von früher mit Inspiration und Innovation von heute zu verbinden und das bestmögliche Produkt daraus zu kreieren. Denn sonst wird dieses brachliegende Potenzial nicht genutzt. Es ist außerdem wahnsinnig schön, dass diese Talente noch so getrieben sind. Das ist der Punkt, der mir am meisten Freude bereitet. Die gehen einfach los ohne eine Ahnung zu haben, was auf sie zukommt. Um ehrlich zu sein, habe ich das auch nicht geahnt, als ich angefangen habe. (sie lacht). Kreative folgen ihrer inneren Stimme, die sie antreibt. Es ist wahnsinnig erfrischend, das zu sehen. Ich glaube, dass diejenigen, die auf diese innere Stimme hören, ihren Weg gehen.

Ist das auch der Grund warum Du so erfolgreich geworden bist? Dass Du die Dinge genau so angegangen bist und gehst?
Das kann ich selber schwer beurteilen. Ich glaube aber, eine typische Frauenantwort ist: Ich hatte auch viel Glück im Leben. Das glaube ich allerdings wirklich (lächelt). Es war der richtige Zeitpunkt in Berlin, die PREMIUM zu starten. Auf der anderen Seite ist es tatsächlich so, dass ich immer meiner inneren Stimme und meiner Intuition folge. Das macht schon einen großen Teil meiner Arbeit aus. Und ich bin froh, dass ich so viele Team Mitglieder, Partner und Geschäftspartner habe, die mir vertrauen und sagen: Hier, lauf!

Du hast schon so viel erreicht gibt es trotzdem einen Traum, den Du noch im Hinterkopf hast?
Ja, es gibt eine Sache, die ich bisher nur nebenbei realisieren kann, aber es wäre schön, wenn sich das irgendwann intensivieren könnte. Das sind soziale Projekte. Wir haben gerade einen Fundraising Refugee Event veranstaltet und arbeiten mit Kinderheimen. Ich würde mir wünschen, noch viel mehr tun zu können und die vielen Kontakte, die ich habe, und die ganze Energie zusammenbringen zu können. Damit insbesondere Kindern geholfen werden kann, die vielleicht nicht die Chance und das Glück haben, das ich oder meine Töchter geniessen dürfen.

Wann ist dieser Wunsch in Dir entstanden?
Ich hab schon immer als Kind zu meiner Mutter gesagt, und das ist schon wirklich lange her: (lacht):„Mama, ich möchte unbedingt reich werden, damit ich Gutes tun und damit die Welt verändern kann.“ Und da es so lange dauert mit dem reich werden, habe ich gedacht, fang besser jetzt schon mal damit an, gute Dinge zu tun. (lacht wieder)

Wann war Dir klar, dass Du mit Mode arbeiten möchtest?
Unbewußt schon sehr früh. Ich bin ein richtiges Barbie-Kind. Ich hatte 42 Barbie-Puppen. Noch heute muss ich schmunzeln, wenn ich die Andy Warhol Barbie sehe. Ich habe meine Barbiepuppen immer an- und ausgezogen, an- und ausgezogen, wieder und wieder. Meine kleine Schwester dagegen hat den Barbies die Haare abgeschnitten. Sie ist heute Besitzerin eines Friseur-Salons. Das ist eigentlich ganz lustig. Wahrscheinlich war also schon damals klar, dass ich mal mit Mode arbeiten möchte.

Gibt es trotz Deines Erfolges etwas, was Du rückblickend anders machen würdest?
Ja. Ich würde noch mehr auf meine Intuition hören. Ich bin jetzt 43 und ich habe lange nicht erkannt, wie wichtig Intuition ist. Das würde ich rückblickend ändern und noch mehr auf meinen Bauch hören.

Du hast ein unheimliches Arbeitspensum und es ist sicher nicht immer alles leicht, Wie erhältst Du Dir Deine Begeisterung?
Ich habe das große Glück, mein Hobby, die Mode, zur Arbeit gemacht zu haben. Eigentlich empfinde ich es auch gar nicht als Arbeit. Meine Arbeit macht mir einfach wirklich Spaß.

Wie organisierst Du Deinen Alltag? Du hast ja auch zwei Töchter.
Ich bringe meine Töchter morgens zur Schule und hole sie meistens auch ab – oder mein Mann. Einer von uns Beiden ist immer bei den Kindern. Die Wochenenden und Freizeit gehört der Familie, also uns Vieren. Dafür treffen wir uns seltener mit Freunden oder gehen aus.

Wie siehst Du das in Bezug auf Deine Töchter? Würdest Du Dir wünschen, dass sie Dein Unternehmen übernehmen oder sollen sie lieber außerhalb der Modebranche glücklich werden?
Ach, das ist mir egal. Sie sollen glücklich werden mit dem, was sie machen, womit auch immer…

Wie steht die deutsche Modebranche Deiner Meinung nach da? Es wird ja oft viel schlecht geredet.
Unsere deutsche Historie hat uns ja fast verboten, auf irgendetwas stolz zu sein oder prunkvoll zu sein. Das hat viel mit unserer Geschichte und Gesellschaft zu tun. Ich denke, dass das ohne unsere Historie vielleicht anders wäre. Und das bestätigt sich, wenn man an Ausnahmedesigner wie Wolfgang Joop oder Jil Sander denkt. Wenn man bedenkt, wie viel talentierte und fokussierte Jungdesigner es in Deutschland gibt. Deutsche Designer vereinen Talent mit dieser „typisch deutschen“ Gabe von Engineering, Technik und Detailverliebtheit. Ich glaube, das kann eine gute Basis sein und zum Erfolg führen. Unsere Nachwuchsdesigner sind kein bisschen schlechter als internationale Jung-Talente, ganz im Gegenteil. Umso mehr freue ich mich, dass wir mit dem German Fashion Council eine Basis geschaffen haben, um unsere deutschen Talente zu fördern.

Die nächste Premium steht bevor. Auf was können wir uns freuen?
Auf eine nochmal verbesserte Premium. Auf neue Hallen, neue Marken und neue Themen. Wir haben einen neuen Bereich geschaffen, der nennt sich Activewear. Da dreht sich alles um das Thema Lifestyle, Healthy Living und Fitness. Ein Trend, der aus den Staaten zu uns kommt: Funktionaler Sportstyle kombiniert mit Fashion ist ein Look, der das Straßenbild der internationalen Metropolen prägt. Nachhaltige Lebensweise spielt in der Gesellschaft eine immer größere Rolle. Das ist ein schöner Bereich, der mir viel Freude macht. Wir haben auch wieder eine sehr gut zusammengestellte #Fashiontech-Konferenz. Im Juli hatten wir über 2000 Besucher. Und ich glaube, das werden wir dieses Mal noch toppen. Ich freue mich auch auf die SEEK, und die Bright. Kurz gesagt: auf Alles.

Wie sieht das aus, wächst die Premium noch? Es gibt ja sicher Entwicklungen in Wellenbewegungen.
Messen gehören immer noch zu einem der wichtigsten Instrumente in der B2B-Kommunikation. Das wird sich auch so schnell nicht ändern. Eine Messe ist ein Marktplatz, der widerspiegelt, was draußen am Markt passiert. Jede Saison bringen wir das aktuelle Angebot (die Marken) und die Nachfrage (die Einkäufer im Handel) zusammen, damit der Endverbraucher kurze Zeit später die neusten Kollektionen in den Läden findet. Wir verzeichnen weiterhin eine steigende Anzahl an Besuchern sowie auch eine steigende Nachfrage von Seiten der Marken. Dennoch, basiert das Konzept aller unserer Formate auf Qualität, anstatt auf quantitativem Wachstum. Darauf achten wir bei allen unseren Formaten genauestens. Für uns ist es wichtig, die neuesten Strömungen und Trends so früh wie möglich zu erkennen und umzusetzen. Das bedeutet stetige Veränderung, Erneuerung und Wandel. Aber genau das macht es ja spannend. Ich weiß zwar nicht, wohin das alles führen wird, aber es läuft.(lacht)

Nach der Messe ist vor der Messe. gibt es bei Dir eine Zeit im Jahr wo Du mal durchatmen kannst?
Wir versuchen, an den Wochenenden ruhig zu machen und sind dann wirklich nur als Familie zusammen. Wir spielen Spiele zusammen, gehen in den Park, Schlittschuhlaufen oder in den Wald Fahrrad fahren. Wir sind eine sehr aktive Familie und häufig draussen. Insofern sind die Wochenenden tatsächlich erholsam. An Weihnachten und über die Feiertage fahren wir immer zu viert in den Urlaub. Es ist immer eine Erholungsquelle, wenn ich mit meinem Mann und den Kindern zusammen bin. Gemütlich… (freut sich)

Zum Schluß, noch ein paar schnelle Fragen, liebe Anita.

Lieblingsgetränk? Wasser

Lieblingsessen? Kartoffeln

Lieblingsfarbe? Blau

Lieblingsstadt? Berlin

Lieblingsaccessoire? Meine Apple Watch

Tee oder Kaffee? Beides

Sekt oder Bier? Keins

Schwarz oder weiß? Schwarz

Chanel oder Chloe? Beides

Berge oder Meer? Meer

Silber oder Gold? Gold

Vintage oder neu? Neu

Hund oder Katze? Katze

Auto oder Fahrrad? Auto

Barfuß oder Lackschuh? mmh, schwierig (lacht)

Paris oder New York? New York

Liebe Anita, ich Danke Dir für das spannende, offene Gespräch!